Vorwort
Fortune roto volvitur: descendo minoratus; alter in altum tollitur; nimis exaltatus.
(Fortunas Rad, es dreht sich um: Ich sinke, werde weniger, Den anderen trägt es hoch hinauf, gar zu hoch erhoben.)
Das Rad der Fortuna, dessen Bild mit diesen Worten in einer Sammlung von Handschriften aus dem 13. Jahrhundert beschriftet ist, gilt als Symbol für eines der gewaltigsten musikalischen Werke unserer Zeit: Carl Orffs Carmina Burana mit dem Untertitel „Weltliche Gesänge für Soli und Chor mit Begleitung von Instrumenten und magischen Bildern".
Orff bezog die Anregung und die Texte zu seinem Werk aus dieser Anthologie von Liedern und Gedichten, die in mittelalterlichem Latein, Deutsch und Französisch von Vaganten - wandernden Scholaren, vagabundierenden Dichtern und Mönchen vor siebenhundert Jahren - verfaßt wurden. Die ursprüngliche Handschriftensammlung war in dem alten Kloster Benediktbeuern in den Bayerischen Alpen von Johann Andreas Schmeller wiederentdeckt worden, der sie im Jahr 1847 unter dem Titel Carmina Burana (Lieder aus Beuern) veröffentlichte. In ihren annähernd zweihundert geistlichen und weltlichen Liedern reicht das inhaltliche und stilistische Spektrum der Handschrift von irdischer Schlichtheit bis zu hochentwickeltem Symbolismus und Mystizismus, von tiefer religiöser Versenkung bis zu ausgeprägter, beinahe zynischer Diesseitigkeit.
Die Herkunft der Gedichte, von denen einige sicherlich zum Singen bestimmt waren, ist ungewiß. Da jedoch die Vaganten ihr Christentum mit weltlichen Anschauungen verbanden, sind die Themen ihrer Gedichte heute so bedeutsam wie zu ihrer Entstehungszeit. Sie sind offene Bekenntnisse zu den irdischen Freuden: Essen, Trinken, Spielen, Liebe, aber auch die Ironie und Grausamkeit des Glücks (Fortuna ist hier personifiziert als „Herrscherin der Welt", vergleichbar dem amerikanischen Ausdruck „Lady Luck").
Es wurde die Meinung geäußert, daß die Vaganten ihre Gefühle unglaubhaft überzogen darstellten wie Märchenerzähler. Wenn sie jedoch zarte Gefühle berührten, setzten sie ihre Ausdrucksmittel mit ausgesuchtester Zartheit ein.
Die ganze Bandbreite, die die Vagantendichtung umfaßt, die gewaltige Begeisterung und Aufrichtigkeit, sind gleichermaßen von Carl Orff musikalisch umgesetzt. Er berauscht uns mit hämmernden Rhythmen und einprägsamen melodischen Formeln; er bewegt uns mit schlichter Zartheit und tief empfundener Einfachheit. Das ist Musik, die die zeitlosen Eigenschaften menschlichen Strebens und Versagens widerspiegelt; Musik, einzigartig in ihrer Substanz und Wucht, funkelnd in allen Farben in der Vorstellung eines wirklich schöpferischen Geistes.
Bei der Bearbeitung der Carmina Burana für symphonisches Blasorchester habe ich versucht, den Geist, das Gefühl und den allgemeingültigen Charakter der originalen Partitur beizubehalten. Gleichzeitig sollte jedoch die Aufführungsdauer der üblichen Programmgestaltung der Blasorchester angeglichen werden. Das Werk beginnt und endet mit der Darstellung der vernichtenden Qualen für die Opfer von Fortunas unbarmherzigem Rad (0 Fortuna; Fortuna Imperatrix Mundi); die übrigen Sätze sind den Freuden im Frühling und in der Natur, den Vergnügungen in der Schenke und am Spieltisch, den Reizen der Liebe und der Ironie des Schicksals gewidmet.
John Krance (Übersetzung: Wilhelm Lüttich)
Anmerkung:
Die Originalpartitur zu Carl Orff's Carmina Burana (Cantiones Profanae) (1936) verlangt Vokalsolisten, drei Chöre und großes Orchester. Die Bearbeitung für Blasorchester ist jedoch vollkommen instrumental angelegt, indem die Vokalsätze insgesamt in den Orchestersatz eingearbeitet sind. Die Spieler sollten sich daher möglichst einem „singenden" Stil annähern. Aus den ursprünglich 25 Sätzen hat John Krance 13 ausgewählt: die Nummern 1, 2, 5, 6,7, 10, 15, 13, 14, 21, 23, 24 und 25. In der Bearbeitung sind sie hier fortlaufend von 1 bis 13 durchnumeriert.
Inhalt:
O Fortuna, velut Luna
Fortune plango vulnera
Ecce gratum
Tanz-Uf dem anger
Floret silva
Were diu werlt alle min
Amor volat undique
Ego sum abbas
In taberna quando sumus
In trutina
Dulcissime
Ave formosissima
Fortuna Imperatrix Mundi
Orchesterbesetzung:
Picc. · 2 Fl. · 2 Ob. · 2 Fag. - Klar. in Es · 3 Klar. in B · Altklar. · Bassklar. · 2 Altsax. · Tenorsax · Baritonsax - 3 Flhr. · 2 Trp. · 4 Hr. · 3 Pos. (3. auch Basspos.) · Bar. · 2 Tb. - Kb. - 2 Klav. (ad lib.) · Cel. (ad lib.) - P. (2 Spieler) S. (3 Glsp. · 2 Xyl. (ad lib.*) · 3 Gl. · Plattengl. · Schlittenglöckchen · Trgl. · Beck. · Beckenpaar. · Tamt. · Tamb. · gr. Tr. · Chimes · Woodbl. · Ratsche · 2 Bierkrüge [Keramik] od. 2 Trinkgläser) (6 Spieler) * Wenn die Klaviere besetzt sind, wird das 2 Xylophon nicht benötigt.
INFO:
Komplette Fassung für Sopran, Tenor, Bariton, gemischten Chor, Knabenchor und Blasorchester
bearbeitet von Juan Vicente Mas Quiles
= nur als Leih-/Aufführungsmaterial direkt über Schott Music erhältlich !
Bestellnummer:
LS 3090-02
Carmina Burana
Carl Orff (Komponist) | Juan Vicente Mas Quiles (Bearbeiter) | Carl Orff (Textzusammenstellung)